Nr. 173
Antwort, geweihtes Wasser belangend
Wittenberg, 1521, [Anfang]

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin

1. Überlieferung

Frühdruck:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Antwoꝛt Andꝛes Bo.von Ca⸗∥rolſtad Doctoꝛ : geweicht ∥ waſſer belangend : ∥ Wider einen bꝛu⸗∥der Johan. ∥ Fritz⸗∥hans genant : holtzuger oꝛdens. ∥ Vuittemberg. ∥ Jm Jar M. D. Xxi. ∥
Wittenberg: [Melchior Lotter, d. J.], 1521.
4°, 8 Bl., a4–B4.
Editionsvorlage:
BSB München, Res. 4° Polem 3340 (28).
Weitere Exemplare: SUB Göttingen, 8° Theol.Pol. 246/65. — BSB München, 4° Liturg. 130.
Bibliographische Nachweise:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Mit dieser Schrift reagierte Karlstadt auf eine gegen ihn gerichtete Veröffentlichung1 des Leipziger Franziskaners Johannes Fritzhans.2 Dieser hatte schon Anfang Juni 15203 eine gegen Johannes Dölsch gerichtete Verteidigung für den Oberen der Leipziger Franziskaner Augustin von Alveldt verfasst.4 Da Karlstadt in seiner Schrift gegen Seyler zu geweihtem Wasser und Salz nebenbei auch Alveldt angegriffen hatte,5 nahm sich Fritzhans der Verteidigung beider Ordensbrüder an.6 Seine Schrift gegen Karlstadt ist nicht datiert; auch ihre Druckfassung hat keine Jahresangabe.

In Karlstadts Antwortschrift an Fritzhans findet sich ein auf den 22. Oktober 1520 datierter Schlussabsatz.7 Da Karlstadt aber nach diesem Datum noch drei Thesen zur Bedeutung von Wasser als Zeichen für Verfolgung und Leid hinzufügte und kommentierte,8 wird sich die Fertigstellung des Druckes über Ende Oktober hingezogen haben. Auf dem Titelblatt der Druckfassung ist das Jahr 1521 angegeben;9Karlstadts Entgegnung könnte somit zum Jahreswechsel 1520/21 veröffentlicht worden sein.

Die beiden Flugschriften Karlstadts gegen Franziskus Seyler OFM und Johann Forcheim OFM scheint deren Ordensbruder Fritzhans als im Ton anmaßend und überheblich empfunden zu haben. Bodensteins Bezeichnung als »Doctor« im Titel, im Kontrast zu dem an gleicher Stelle als »unverdienten Guardian« bezeichneten Seyler, war für den Franziskaner Fritzhans ungehörig. Formal korrekt wendet der sich in seiner Verteidigungsschrift an den »doctor zu Wittenberg«, hebt jedoch am unteren Titelblattrand hervor: »Sintemal/ wir alle bruͤder/ under einem Meister Christo sein«10 wolle er im nachfolgenden Text Karlstadt schlicht »ein bruder« nennen.11 In seiner Antwort auf Fritzhans bezweifelt Karlstadt die Echtheit des Namens12, benutzt ihn ironisiert13 und gibt ihn der Lächerlichkeit preis.14

Johannes Fritzhans kritisiert Karlstadts Auswahl nur einiger biblischer Bedeutungsbereiche von Wasser. Es stehe – so Fritzhans – auch als Zeichen für »heilsame Weisheit« (Sir 15,3), »Völker« (Offb 17,15), »Gnade« (Joh 4,14) und »Heiligen Geist« (Joh 7,37–39). Karlstadt»glosiere« aus »eigen koppe«, dass Weihwasser ein Zeichen sei für Leid, Anfechtung und Geduld.15 Die »picarden ketzer« würden behaupten, Weihwasser, geweihte Asche, geweihte Palmen und dergleichen seien nichts.16Karlstadt solle sich vorsehen, wie »bruder Martin luder und seine nachvolger«, Artikel verdammter Ketzer an den Tag zu bringen. Weihwasser – so der Einwand von Fritzhans – sei zweifelsohne »ein zeychen der reinickeit/ der seel eines Christen menschen« (Ps 50(51),9) und habe »seine Kraft aus dem Blut Christi« (Hebr 9,13 f. und 4. Mose 14).17

In Karlstadts Entgegnungsschrift lassen sich zwei Teile ausmachen: ein erster, längerer in kritisch verhöhnendem Stil (fol. A2v–B3r) und ein zweiter, kurzer, thesenartiger Nachsatz (fol. B3r–A4r). Im ersten Teil entkräftet er die von Fritzhans gegen ihn eingeführten, weiteren biblischen Wasserbedeutungen. Das macht der Wittenberger teilweise in grob ironisch abwertender Art (z. B. der Hinweis Fritzhans' auf Offb 17,1518), aber auch in theologisch-kritischer Perspektive z. B. die Behauptung seines Gegners, Weihwasser habe seine Kraft aus dem Blut Christi.19

Im zweiten Teil seiner Entgegnung, umreißt Karlstadt knapp in drei »Artickeln« (Thesen) sein Verständnis des in biblischen Texten erwähnten Wassers. In knappen Erläuterungen zu jeder These begründet Karlstadt seine Auslegung biblischen Wassers als Zeichen läuternder Leidens- und Rechtfertigungserfahrung des Sünders.


2Johann Fritzhans OFM (um 1475–1540); immatr. im SoSe 1486 in Leipzig, als Johannes Fritzschans de Frawennreyt. Von Leipzig nach Magdeburg versetzt, trat er 1523 dort der reformatorischen Bewegung bei. Nach seinem Klosteraustritt hielt sich Fritzhans vorübergehend in Wittenberg auf. Anfang 1524 kehrte er nach Magdeburg zurück, wo er Ende Juli Prediger an der Heilig-Geist Kirche wurde. Mit Predigten und Schriften stärkte er die Reformation lutherischer Prägung (vgl. NDB5, 635; Barge, Karlstadt 1, 216 Anm. 96; Moeller/Stackmann, Städtische Predigt, 75–79; DBETh, 458). Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A2r bezeichnet Augustin von Alveldt als seinen Lehrer: »Ich beger der ursach/ erstlich von dir/ lieber bruder Karlstadt/ ein gnedig unterrichtung/ was dir mein preceptor bruder Augustin von alfeldt gethan, das du deine schrifft nit kondest lassen drucken/ er muste dorin gerurt werden/ welcher dich doch nit/ noch mit worten oder schrifften belanget und belydiget hat.«
3Zur Datierung s. Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. B4r : »Ex Lipsico conventu nostro. virginei partus: anno supra millesimum quingentesimum vigesimo: nonis Junii.«
4Fritzhans, Epistola (1520); vgl. dazu Kropatscheck, Dölsch, 8 f. Auf diese Epistola Fritzhans' antwortete Johannes Bernhardi aus Feldkirch mit seiner Confutatio (Bernhardi, Confutatio (1520)). Alveldts Schrift (Alveldt, Super sede (1520)), war Anfang Mai 1520 in Wittenberg bekannt; als erster reagierte darauf Lonicer, Contra Alveldensem (1520).
5Vgl. KGK III, Nr. 162, S. 242, Z. 32.
6Vgl. Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A2r–v . Bei der Kommentierung von Karlstadts Kritik an Alveldt kommt Fritzhans kritisch auch auf die Leipziger Disputation zu sprechen: »[…] es ist noch lieber bruder Karlstadt/ als ich nun vormercke/ umb dein groß gedechtnis/wie es war in der disputation zu leyptzig vorgangen/ so du bucher hatest kondest subtile ding erdencken/ aber wie hastu nun one buch solche wort [scil. Alveldts]/ ich mag nit/ deiner ehre halben sagen es ist mit unwarheit gered/ wan ich weyß du findest diesse wort in Augustini schrifft nit/ er [scil. Alveldt] hat geschriben/ sedes apostolica/ Bepstlich ampt odder stuel/ nit sedes Romana/ Roͤmisch ampt odder stuel/ ab ditzs ampt alletzeit zu Rom odder nit/ sein sol/ hat Augustin von alveld vorklert[/] wil du dein kunst doran vorsuchen steht zu dir.«Fritzhans könnte die Leipziger Disputation als Anwesender mitverfolgt haben.
10Vgl. Mt 23,8.
11So der Zusatz auf dem Titelblatt unten, Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A1r: »Sintemal/ wir alle bruͤder/ under einem Meister Christo ∣ sein/ hab ich in nachvolgenden worten/ solchen doctor ein bru∣der genendt.« In Verbindung mit dem Demutsideal der Franziskaner ist interessant, wie sich Petrus Fontanus OFM als Wittenberger Dekan im SoSe 1519 ins Dekanatsbuch einträgt: »[…] Decanus Theologiae facultatis electus est Ex divi Francisci familia Venerabilis et Religiosus Pater Petrus Fontanus Sacrarum literarum professor minimus […]« (Liber Decanorum, fol. 29v ). Als Dekan hatte Karlstadt seine akademischen Titel erstmals im SoSe 1520 weggelassen, in Verbindung mit dem Dekanatsbucheintrag zu einem Promotionsakt am 25. und 27. [Mai] 1520. Von bisherigen Konventionen abweichend, beginnt er schlicht: »Anno domini MDXX sub decanatu Andree Botensteini Carolostadij« (Liber Decanorum, fol. 30v ). Seinem mitwirkenden Kollegen Petrus Wolf, der bei dieser Disputation den Vorsitz führte, fügte Karlstadt die übliche Titelei bei: »[…] ab eximio et Reverendo domino Petro Lupino thesaurario disputationis praeside et vicedecano« (Liber Decanorum, fol. 30v ). Bei Karlstadt ist also im Mai 1520, Monate vor der Verteidigungsschrift des Johannes Fritzhans für Seyler, ein Verzicht auf Titulaturen belegt (freundlicher Hinweis von Ulrich Bubenheimer).
12Vgl. KGK 173 (Textstelle): »Nun kumpt mir ein seltzamer schreyber zuhanden / der sich Johan. fritzhans nennet / und wolt gerne heulen/ wan yhm einer sein haut balget. Wie wol ich nit gewist hab/ ab einer ein solchen namenn erticht hat/ aber nit« (KGK 173 (Textstelle)); »ist anders yndert ein groher sacktrager/ der bruder Joan. Fritzhans genant.«
13Vgl. »lieber Fritz« (KGK 173 (Textstelle); KGK 173 (Textstelle); KGK 173 (Textstelle); KGK 173 (Textstelle)); »hoer mein hansz« (KGK 173 (Textstelle)); »Do spricht der Fritz« (KGK 173 (Textstelle)); »der arm bruder Fritz« (KGK 173 (Textstelle)); »hans bruder Fritz« (KGK 173 (Textstelle)); »lieber armer groher [scil. grauer] Fritz« (KGK 173 (Textstelle)); »bruder hans Fritz« (KGK 173 (Textstelle)).
14Vgl. »liber grauer gesel [scil. Gesell u. Esel]« (KGK 173 (Textstelle)); »dir groben holtz« (KGK 173 (Textstelle)); »du ketzerischer keeszprediger« (KGK 173 (Textstelle)); »den groben Fritzen drescher« (KGK 173 (Textstelle)).
15Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A3r : »Du [scil. Karlstadt] glosirst aus deinem eigen koppe weychwasser sey ein zeichen des leidens/ anfechtunge/ und gedult[/] sintemal wasser in der schrifft leiden[/] vorfolgung/ betrubnisse[/] anfechtung/ gedult bedeut. Hie kan ich mercken du hast viel weichwassen getruncken/ wen [scil. denn] du bist seer duldich und leydest vorvolgung also [scil. wie es] dein schrifft außweyssen.«
16Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A3v : »[…] sich zu das dein andacht recht sey/ wan [scil. denn] die picarden ketzer sprechen/ das weychwasser/ geweicht aschen/ geweicht palm und der gleychen nichtes sey[/] wen einer mit geweychtem wasser sprenget ist anders nit wen [scil. als] h[o]ellische tropfen/ bruder Karlstadt bewar dich vor solchen worten[/] bit ich hertzlich[/] suche nit heysse kolen in vorloschener aschen wie etzlich/ kan unser glauben dan nit war sein/ wir bringen den wider zum tag wie bruder Martin luder und seine nachvolger die artickel vordampter ketzer/ […].«
17Vgl. Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A4r . Die Form in der Karlstadt Wasser allegorisch-spirituell deutet, fand Fritzhans ungewöhnlich bzw. neu.
18Vgl. Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A3v : »Wasser bedeut auch das volck/ viel wasser ist (spricht die schrift) viel volckes« – mit Marginalverweis: »Im buch heimlich ∣er offenba ∣rung am xviij [sic]«; vgl. Offb 17,15.
19Vgl. Fritzhans, Von dem geweichten wasser (1520), fol. A4r : »Aber ich sprech/ das geweicht wasser alle seine krafft/ auß dem blut christi erlangen ist/ wan alles was ein Christenmensch betten, wurcken/ dencken/ glauben/ reden kan/ sol es der seelen zu ewigen leben nutze sein/ muß es krafft gewinnen/ auß dem blut Christi.« – mit Marginalverweis: »Zu den hebreorn am ix. ca.«; vgl. Hebr 9,13 f.

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