Nr. 174
Verschollen: Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, [[1521, nach 21. Januar/vor 1. Februar] (verschollen)]

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin

1. Referenz

Handschrift:

[a:]ThHStA Weimar, EGA, Reg. O, Nr. 368, fol. 4r–5v

In für Kfst. Friedrich III. ins Deutsche übertragenen Auszügen, von dem »was etliche gute freund aus Wittenberg mir itzo schreiben«1, exzerpierte Georg Spalatin (seit Jahresbeginn 1521 mit Kfst. Friedrich III. in Worms) aus Briefen, die ihm Luther, Nikolaus von Amsdorf und Karlstadt hatten zukommen lassen.2 Das Exzerpt aus Karlstadts Brief findet sich auf fol. 4v–5r.

Edition:

Literatur:

2. Inhaltliche Hinweise

Luther3 und Amsdorf4 beschäftigten sich in ihren Briefen an Spalatin mit einem Nachfolger für die, durch längere Krankheit und den Tod des Propsts am Allerheiligenstift Henning Göde († 21. Januar 1521) verwaisten Vorlesungen über die Rechte.5 Unter den kurz nach Gödes Ableben verfassten Schreiben an Spalatin wird auch Karlstadts Brief bald nach dem 21. Januar 1521 anzusetzen sein.6

Der Auszug Spalatins lautet folgendermaßen:

[4v] Doctor Karlstat.

Wenn unßer Gnedigster Herr. patron und vater der Churfurst zu Sachssen mich wollt reicher machen, hett sein C'hurfürstlich' G'naden' itzo gelegenheit, Dann der Erwirdig in Gott seliger unser probst [5r] doctor Henning hat vil geistlicher lehen gehabt,7 Wenn mich nu sein C'hurfürstlich' G'naden' mit eynem gnediglich versehe, so mocht ich ein schreiber haltenn ∣ und ernerenn, Des ich nicht allein bedarff, sondern mit grosser beschwerung und nachteyl bedarff. Darumb bitt ich mit vleis8 mich zuverbittenn, mich mit einem lehen zuversehen, Darumb ich warlich nit durch9 bewegt bitt, sondern allein eyn schreiber meinem studium zu gut zuhalten. Derhalben wollest von meynet wegen thun und furwenden was du10 in dem namen des Christi zuthun sein achtest.

Karlstadt bringt sich damit nicht als Kandidat für die durch Gödes Tod verwaiste Propststelle ins Gespräch.11 Worum er Spalatin bittet, ist beim Kurfürsten vorzusprechen, damit ihm der eines der vakant gewordenen (geistlichen) Lehen Gödes zuteilt; mit diesen Einnahmen will sich Karlstadt die Anstellung eines Schreibers leisten.

In einem Brief vom 22. Januar 1521 an Spalatin schlug Luther für das durch Gödes Ableben verwaiste Amt des Propstes am Allerheiligenstift Karlstadt vor.12 Eine Woche darauf nahm Luther den Vorschlag in einem weiteren Brief an Spalatin jedoch wieder zurück.13


1ThHSTA Weimar, EGA, Reg. O 368, fol. 4r: »Gnedigster her E'uren' C'urfürstlich' g'naden' hab ich unterteniger meinung lenger nit verhalten was etliche gute freund aus Wittenberg mir itzo schreiben, under andern.« Vgl. Kawerau, Jonas 1, 48 Nr. 45.
2Vgl. auch Höss, Spalatin, 203–205. Der Lutherbrief gedruckt WA.B 2, 251 Nr. 369.
3 WA.B 2, 251,9–13 Nr. 369: »Praeterea defuncto praeposito et alienato a nobis Volfgango, quin et Torgensem doct. lectione iuris exonerandum audiens rogo, intercessor ac mediator bonus esto Iohanne Suerdfeger, qui, si lectionem ciuilis iuris, cui par esse etiam philippo nostro videtur, obtinere posset, […].«
4Vgl. Kawerau, Jonas 1, 48: »Licenciat Amsdorff. Heut frue umb acht hor ist unser probst gestorben […]. Unserm gnedigsten hern dem churfursten etc. hat die universiteth geschrieben und gebeten, sein c. g. wollen ir eynen anzeigen nach irem gefallen, den sie nominiren soll, dann die universiteth ist willens, den zunominirn, der ir gefellig. Wir haben bey uns keyn tuchtigen und wirdigen juristen zu der lectien ordinarien, das ich frey und warhafftiglich sage. Wenn nu die lection in ander weg versehen und bestellt werde, so mocht sein c. g. uns einen angeben, welcher faculteth sie wollt. Dann ich war der hoffnug gewest, doctor Wolf [Stähelin] solt dise lection gelesen haben, weil inen aber hertzog heinrich fur seinen cantzler hat angenommen, derhalben weiß ich itzo keyn andern, den ir itzo bey euch habt, ein gelarten aber beweybten mann etc. Dat. an sant Agnesen tag [= 21. Januar] 1521.« Zu Henning Göde vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 129–131; zur Nachfolgebesetzung des vakant gewordenen Propstamtes mit Justus Jonas Bünger/Wentz, Brandenburg ebd., 137.
5 Luther schlägt Johann Schwertfeger vor. Amsdorf, der in dieser Angelegenheit einen vorausgegangenen Brief der Universität an den Kurfürsten anspricht, hatte gehofft, die Lektionen Gödes würde Wolfgang Stählin übernehmen. Stählin war aber von Herzog Heinrich von Sachsen als Kanzler angestellt worden.
6In Karlstadts Brief an Spalatin vom 2. Februar 1521 (KGK 175) scheint er sich auf dieses bald nach Gödes Tod gesandte Schreiben zu beziehen.
7 Henning Göde (gest. 21. Januar 1521). » Göde war nicht nur Propst in Wittenberg, sondern auch Scholasticus des Erfurter Domes, besass ausserdem [in Erfurt] die Vicaria altaris s. Crucis et omnium S.S. in Hospitali novo, die Vicaria S.S. Iodoci et Annae in der Pauluskirche, die Vicaria altaris S. Ioh. Evang. in der Kirche omnium S.S.; ferner in Jena die Vicaria b. Mariae Virg. et Andreae in der Johanniskirche.« (Kawerau, Jonas 1, 49 Anm. 1). Zu Göde als Scholaster am Marienstift Erfurt, Propst in Wittenberg etc. vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 129–131. Zu Gödes geistlichen Lehen vgl. auch Müller, Wittenberger Bewegung, 30 Anm. 2.
8Folgt gestrichen: zu bitten.
9Danach scheint ein Substantiv zu fehlen.
11Das spricht gegen die Interpretation Barges (Barge, Karlstadt 1, 243: » Karlstadt bewarb sich gleichwohl um die erledigte Pfründe«), die sich in der Forschung einbürgerte. Als Karlstadt 1517 Doktor beider Rechte geworden war, dürfte er zeitweise auf die Nachfolge Gödes spekuliert haben. Das Propstamt war jedoch Anfang 1521 für Karlstadt keine Option mehr.
12 WA.B 2, 252,5–8 Nr. 370: »[…] De Praeposito novo deligendo, si Principi suggereres, ut Carolstadium signaret et archidiaconatum eius suciperet Amsdorfius, ut homo hic optimus pinguiore stipendio provideretur, non absurdum videretur: tamen in iis tuo utere meliore consilio.«
13 WA.B 2, 256,5 f. Nr. 372: »De praeposito Carlstadt stulte nuper scripsi.« Der Vorschlag Spalatins, abgesprochen mit Jakob Vogt OFM (Beichtvater des Kfst.), den Erfurter Kanoniker Justus Jonas auf das Propstamt des Wittenberger Allerheiligenstifts zu nominieren (vgl. Kawerau, Jonas 1, 49), war in verschiedener Hinsicht kohärent: Jonas hatte nicht (wie z. B. Karlstadt) gegen den Papst geschrieben und sich von ihm abgesagt; auch war die Ernennung eines » Erfurters « stimmig mit der ernestinischen Schutzfunktion für die Stadt Erfurt (vgl. Ludolphy, Friedrich, 252–256: »Der Streit um Erfurt «).

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