Nr. 170
7 Conclusiones: De peccato et satisfactione
[Wittenberg], 1520, Herbst

Einleitung
Bearbeitet von Harald Bollbuck

1. Überlieferung

Frühdrucke:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
o. T. [DISPVTATIONES AND. CAROLOST.]
in:
Luther, Martin; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Melanchthon, Philipp u. a.
CHRISTIANISSI‖MI VVITTENBERGENSIS GYMNA‖ſij,multarum Diſputationū paradoxa & plane enigmata in ‖ Papiſtica illa mendacijs confuſiſſima Eccleſia:uulgaria ‖ uero ueræ Chriſti Eccleſiæ pronūciata. Atq(ue) ex his ‖ lector iudicabis,quid agatur in uere Chriſtia/‖na ſchola, quāq(ue) hæretica ſit Lutecia,& ‖ omnes filiæ eius. ‖ AVCTORES SVNT, ‖ Martinus Lutherus. ‖ Andreas Carolostadius. ‖ Philippus Melanchthon. &c, ‖ […] ‖ [Am Ende:] EXCVSAE ANNO DOMINI ‖ M. D. XXI. MENSE ‖ SEPTEMBRI. ‖
[Basel]: [Adam Petri], 1521, fol. B1r.
4°, 8 Bl., A4–B4 (fol. A1v und B4v leer).
Editionsvorlage:
UB Basel, FM1 XI 9:7.
Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, M: Li 5530 Slg. Hardt (38, 656).
Bibliographische Nachweise:

[B:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DE PECCATO ET SA=‖TISFACTIONE.
in:
Luther, Martin; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Melanchthon, Philipp u. a.
LVTHERI, ‖ MELANCH. CAROLOSTADII &c. ‖ PROPOSITIONES, VVITTEM=‖BERGAE uiua uoce tractatæ,in hoc´q; ple‖ræ æditæ ab auctoribus,ut uel nos abſentes ‖ cum ipſis agamus,uel certe ut ueri=‖tatis,& ſeductionum ad‖moneātur boni. ‖ Sunt autem id genus, ‖ De ‖ Miſſa & celebratione eius. ‖ Sacramento panis & uini. ‖ Promißione & praecepto. ‖ Fide & operibus. ‖ Cantu Gregoriano. ‖ Coniuratione ſpirituum. ‖ Cœlibatu preſbyterorum. ‖ Decimis ac uotis. &c. ‖ BASILEÆ. M. D. XXII. ‖
Basel: [Adam Petri], 1522, fol. D4v–D5r (Nr. 8).
8°, 56 Bl., A 8–G 8 (fol. A1v und G8v leer).
Editionsvorlage:
BSB München, Polem. 3020,13.
Weitere Exemplare: ÖNB Wien, 77.Cc.281. — RFB Wittenberg – Stiftung Luthergedenkstätten, LH Ag 8 548d. — RFB Wittenberg – Stiftung Luthergedenkstätten, LH SS 1516. — RFB Wittenberg – Stiftung Luthergedenkstätten, LH SS 2272. — RFB Wittenberg – Ev. Predigerseminar, LC590/1. — RFB Wittenberg – Ev. Predigerseminar, NH C13/3.
Bibliographische Nachweise:

Editionen:

Literatur:

Handschrift:

[a:]KantonsB Vadiana St. Gallen, VadSlg Ms 366, fol. 280r, 304 Bll., Papier, beschrieben

Abschriften von der Hand Christoph Schappelers, außer fol. 247r und 270r–271v sowie dem eingebundenen Druck 249r–266v

2. Inhalt und Entstehung

Die sieben Thesen über Sünde und Genugtuung sind undatiert. Sie müssen im Herbst 1520 verfasst und möglicherweise auch disputiert worden sein. Dieser Zeitpunkt kann angesetzt werden, da die Thesen inhaltlich eine große Nähe zur Diskussion über die Rechtfertigung mit Johann Eck im Gefolge der Leipziger Disputation besitzen. Einige Wendungen hätte Karlstadt schon 1521 vermutlich pointierter fomuliert bzw. allgemeiner ausgedrückt.1 Vielleicht gehen die sieben Thesen den 10 conclusiones de pontificum decretis auch voran, da diese einen unmittelbaren Bezug zu den Auseinandersetzungen um die Bannandrohungsbulle Exsurge domine besitzen.

Die sieben Thesen von Sünde und Genugtuung sind für eine kurze Disputation verfasst, die sich gegen die Auffassung von der Werkgerechtigkeit und gegen die kirchliche Tradition einer Rechtfertigung durch Ablass und ähnliche Institute richtet. Allein der Glaube an Christus, der sich zum Sünder machte, schaffe Rechtfertigung. Die erste These stellt den Konnex auf, dass die Geschlechter auf Erden,2 da sie in Christus gesegnet werden, von Natur aus verflucht seien. Demzufolge sei, so die zweite These, jedes menschliche Werk und jede von Menschen gewirkte Gerechtigkeit Sünde, da sie aus den Kräften der Natur entstanden seien. Es folgen die zentralen Thesen 3 und 4: Allein Christus hebe den Fluch der Sünde auf, indem er für uns zum Sünder gemacht wurde.3 Deshalb sei Christus die Gerechtigkeit für alle Gläubigen. Dieser Klimax folgen antithetisch die beiden nächsten Thesen. In der fünften heißt es, dass die Rechtfertigung, wie sie in der Kirche in Gebrauch ist, nach göttlichem Recht nicht Teil der Buße sei. Die sechste liefert eine historische Einschränkung, denn die allgemein gebräuchliche Rechtfertigung in den zeitgenössischen Kirchen sei von Bischöfen eingerichtet worden, um die Rohen und Groben zu kultivieren. Dies habe, so die letzte, siebte These, zu einem Dilemma geführt. Denn diese von Menschen in guter Absicht eingeführte Rechtfertigungspraxis habe zur Folge, dass nun einige wenig fromm das eigene, geplagte Gewissen mit rechtfertigenden Werken überhäuften und sich vom Beispiel Christi entfernten. Doch dieser kündige, gemäß Mt 12,20, seine Sendung leise und ohne Streit an, sodass er den glimmenden Leinendocht nicht lösche noch das zerstoßene Schilfrohr zerbreche.4

Nur der Glaube und das Opfer Christi, abgebildet im Sakrament, sind für die Rechtfertigung entscheidend. Die römische Rechtfertigungslehre wird dagegen bestritten. Die Thesen haben Parallelen zur Diskussion im Fortgang der Leipziger Disputation, zu Formulierungen der 13 Conclusiones (These 3) und der 46 Conclusiones sowie im Fall der Thesen 5–7 zur siebten These aus De sacramento panis.5


1Vgl. Fischer, Beichte 2, 136, der auf das »quidam« in der siebten These hinweist.
3Gal 3,13; vgl. Luther, Conclusiones XVI de fide et ceremoniis: »Christus, benedictio gentium, voluntate patris factus maledictum.« (WA 6,379,5).
4Vgl. Mt 12,20 Vg »harundinem quassatam non confringet et linum fumigans non extinguet donec eiciat ad victoriam iudicium«.

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