1. Referenz
Widmungsschreiben an Johann von Staupitz1 in Karlstadts Augustinkommentar (KGK 064 (Textstelle)).
Literatur:
- Kähler, Karlstadt, 6*f. Anm. 6.
- Oberman, Zweifrontenkrieg, 133–135 Anm. 64.
- Matthias, Anfänge, 94–96.
2. Inhaltliche Hinweise
In Karlstadts am 18. November 1517 datierten Widmungsschreiben2 zu seinem Augustinkommentar bekennt er dem Adressaten Johann von Staupitz gegenüber, auch durch dessen Ansporn in theologische Beschwernisse geraten zu sein. In dieser Lage habe er aufmerksam ein aufmunterndes (bzw. ermahnendes) Briefchen (hortatorium epistolium) von Staupitz gelesen, in dem dieser die »Süße Christi« in hervorragender Weise hervorhebt.3 Dass es sich dabei um ein von Staupitz an Karlstadt gerichtetes, kürzeres, persönliches Schreiben gehandelt haben mag, lässt sich nicht ausschließen.
In der Passage des Widmungsschreibens, die für die Frage eines verschollenen »Briefchens« relevant ist, sagt Karlstadt: (1) während des Heraussuchens möglicher Stellen aus Werken Augustins4, die gegen Luthers Position sprechen würden, durch »ungnädiges Schicksal« auf eine seiner eigenen Position entgegenstehende Aussage Augustins gestoßen zu sein5. Um sie zu entkräften, war er verschiedenen »heiteren und sophistischen« scholastische, Lösungsversuchen nachgegangen, jedoch ohne Erfolg. (2) Die »offensichtliche Wahrheit« (der Augustinaussage) färbte ihn schamrot und er »erkannte, in tausend scholastischen Aussagen enttäuscht worden zu sein«. Staupitz habe (3) »nicht lange Zeit danach« (also nach Karlstadts durch die Augustinstelle ausgelöster Enttäuschung) »Stachel hinzugefügt« und ihm einen »Dorn eingeschlagen«.6 In dieser (4) zusätzlich durch den Ansporn von Staupitz ausgelösten Niedergeschlagenheit liest Karlstadt dessen »Briefchen«.
Zur Frage, was diese »Anreize« seitens Staupitz gewesen sein könnten, bietet sich dessen am 6. Februar 1517 in Nürnberg veröffentlichter Libellus de exsecutione aeternae praedestinationis7 an. Es passt chronologisch in den von Karlstadt angedeuteten Ablauf (Kauf der Opera Augustini Anfang Januar 1517 in Leipzig, intensive Lektüre, um Luther zu widerlegen; Enttäuschung über scholastische Aussagen; mögliche Beschäftigung mit dem Libellus von Staupitz und dessen darin vertretener Gnadenlehre). Es hätte also sein können, dass Karlstadt ein gerade erst veröffentlichtes Exemplar des Libellus de exsecutione mit einem »hortatorium epistolium« von Staupitz aus Nürnberg zugeschickt bekam. Staupitz könnte dieses »Briefchen« auch auf oder in den an Karlstadt übersandten Druck geschrieben haben.8