Nr. 20
Andreas Karlstadt an die Universität Wittenberg
[Wittenberg], [1515, 10. Juni]

Text
Bearbeitet von Ulrich Bubenheimer und Martin Keßler
Buchsymbol2r

Mag'nifice' d'omine' vicerec'tor' Eximii Egregii et Celeberri'mi' d'omini' doc'tores' et
Magis'tri' Patroni mei Colendis'simi'〈.〉

Necessitas et religio ipsa me vestras d'ominationes' iamiam convenire
compellunt deprecarique cogunt hanc aob rema ut animus
vester ad materiam et mee peticionis causam lubentius
perducatur/ recitata origine et repetitis mei infortunii
iniciis/ rem ipsam exordiar/ meum erit recensere/ et
vestre pietatis audire/ et quod iustum est non denegare〈.〉

Clarissimi Patres et d'o'm'ini' Preceptores Annus iam agitur quintus
cum in vigilia sancti Marci ewangeliste1 primiciasb dei ope celebraturus
patriam versus proficiscebar prope villam Eußenheym2
nuncupatam/ quam inhabitabat sororius meus/ Ex latere cuiusdam
montis illic siti quo itinere ducente equitabamc tres equites ar-
matis impositis hastis et quartus balista/ omnes quidem bellicis
instructi munimentis incurrentibus equis/ me hostiliter ag-
gressi sunt/ et nec quidem interrogatum ex sella et equo excussum
in terram semimortuum deiectarunt cuius plage testem in sinis-
tro tempore habeo/ habeboque ad sepulchrum usque〈.〉 Cumque hastis
essem exanimatus et eisdem excitatus/ presensissemque concursum
Rusticorum atque adventum sperassem volens furentes manus
evadere propter irrogatam infirmitatem et montis invium preci-
picio plusquam descensu ad extremum sic michi Consulens in
fossam vallis montium perveni Cumque humi Iacuissem/ duo equites
ex predictis dalter balistad alter hasta ex vehementibus ictibus confracta/ quorum
alter hastatus tunicam in parte sinistra transfixit/ et nisi
tercio conantis me confodere hastam manu apprehendissem/
cor forte transfodisset/ intellexi enim omne studium suum in hoc
versari/ et cum hastam manu apprehensam continerem eo firmius
quo michi vita charior/ sum balista in priori parte capitis lesus
et rursuse semimortuus factus/ me ignorante loris quoque ligatus
postea dum ad fastigium montis vinctus subducerer/ auditis mi-
nis cum michi alligationem ad arborem et ibidem mortem minabantur/
incussus est michi tristissimus metus et dolor cruentissimus
mors michi tunc felicior vita fuisset/ Ideoque deum omnium adiu-
torem in sanctis Petro et Paulo apostolis invocavi votumque feci/
quod si eorum ope ab illatis angustiis eximerer et irrogatis infir-
mitatibus restituerer commoditate data me ipsum velle eis
sacrificium offerre in urbe Romana〈.〉 Quo facto sicut omnes
de vita mea desperabant/ ita/ de repentina et bona vali-
tudine mirabantur〈.〉 Qua propter oblata est causa invo-
candi deum in tribulationibus promittendique votum quod complere
obligor et protelare ulterius absque dispendio anime mee Cum
sciam me commoditatem habere non audeo〈.〉

Buchsymbol2v
V'estras' D'ominationes' ideo suppliciter queso et obsecro/ quatenus tribulationum
angustiarum infortunii et calamitatis misereri/ atque
effectum satisfaciendi deo optimo maximo et suis
apostolis/ votumque/ promovere coadiuvare et non impedire
velitis michique favorem abeundi et redeundi dare nec non
literas de et super huiusmodi favore dato/ oportunas et michi
necessarias concedere dignemini Pro qua humanitate
Deum eternum pro retributione tanti beneficii adorabo et
omni evo obsecutor diligentissimus et paratissimus ./.


Pfalzgraf Wolfgang bei Rhein, Rektor der Universität Wittenberg, an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen (1515, 12. Juni)

Buchsymbol7v

DEm hochgebornen Fursten/ Herren Fridrichen/ -
hertzogen zu Sachssen/ Des Heiligen Romischen
Reichs Ertzmarschalck und Churfursten/ Lanth-
graven/ in Duringen und Marggraven zcu
Meyßen/ unserm Frunthlichen lieben herren
und vetter/

Buchsymbol7r
Unßer dinst und was wir frunthschafft liebs und gut vormugen/ alzceit zcuvor Hochgebornner
furst frunthlicher lieber herre und vetter/ Die weil wir3 jungst als eyn Rector E'wer' L'ieb'
universitet alhy zu Wittenberg/ von der selben universitet erwelet/ und die Rectorei auff
E'wer' L'ieb' wolgefallen angenummen/ Hat itzo von uns als Rector/ Doctor Andreas Carolstadt
der heiligen schrifft lerer begert und gebeten/ Ime die universitet/ seyns antragens halben
ßo ehr vor uns und Inen (als ehr sagt) zuthun hette/ zuvorsammellen/ das wir gethan/
Dar auff den gnanter doctor Carolstadt am nechsten Sonnabent erschynnen/ und erstlich
eyn muntlich ertzelen gethan/ Darnach auch auff beger der herren von der universitet
seynen gescheenen muntlichen/ antrag/ schrifftlich eyngelegt/ lauts hirinne vorwarter
copei4/ Derhalb ehr dan auff furder begern/ den herren der universitet entwichen/ haben
itzt gedachte vorsammelthe von der universitet sich unterredt/ und im Rath bfunden/ sulch
seyn schrifftlich gesynnen an E'wer' L'ieb'/ als der universitet Stiffter Patron und zu iren Interesse
sampt Ingelegter Copien gereichen zulasßenf/ E'wer' L'ieb' rath und was sie vor gut hirinnen
ansehen zu biten und vornehmen/ Ire der universitet aber gutduncken ist geweßen
auff e'wer' l'ieb' vorbesserung wo es war were/ wie gnanther doctor schreibt/ das ehr vor funff
jharen in angsthe und geverlikeiten seyner veinde/ hende gefallen/ Darunder ehr eyn
Romfarth dem almechtigen got und seynen heiligen Apostelln globt und die bisanher
vortzogen und nicht geleistet hette/ Szo mochte ehr an sulcher seyner walfart fuglich
nicht wol auffgehalten werden/ Doch mit dem anhang/ das ehr dieg auffs lengste in vier
monden von seynem auszcoge alhye
vorbrechte/ Darinnen sich auch wyder anheym
zu der Residentz der Prebende5 und des Personats6/ als ehr innenhelt und die frucht dovon
enpfecht fugetthe. Und wo das nicht geschege/ das als dan E'wer' L'ieb' und ire universitet zcu
der Prebende und dem Personat/ als do durch vorledigt eynen anderen tuglichen vorordenen
welthen/ des ehr mit E'wer' L'ieb' schrifft solt vorsichert seyn/ Do mit der beider geistlichen lehen
burden und onera im stifft und der universitet vorsorget und derhalb keyn vacantz wurden
weder im stifft noch in der universitet zu eyner besorglichen eynfurung. Das im aber gestatt
solt werden anderß wo dan alhy zu studiren bedunckt inen nicht thunlichen zu seyn/ noch
dem ehr gereith in den freien kunsten und der heiligen schrifft doctor ist und seyn enth-
schafft darinnen erlanget/ in wertlichen rechten auch offentlich lectiones zu horen im durchs
geistlich recht vorbothen/ und andere den selben stud〈ie〉n 〈u〉nd in 〈a〉llenh faculteten/ noch/ hie
her zcihen/ do zu ehr dan von E'wer' l'ieb' begnat und belehnt ist 〈w〉urdeni/ auch das ehr derhalb E'wer' l'ieb'
gleublich must globen und an eides stadt zusagen unte〈r〉j sulcher pilgremschafft nichts
annzubrengen/ noch zuerberben/ das e'wer' l'ieb' universitet und stiffts statuten zu nachteil ge-
reichen moecht und was hirinne E'wer' l'ieb' Ernnstlich und beslieslich meynung sey uns an stadt
irer universitet/ in schrifften zuvormelden/ Die selbigen E'wer' l'ieb' schrifft und enthlich meynung
wolten wir sampt der Universitet vorgeschribnen Doctori/ furhalthen/ sich dar nach zurichten
wissen/ biten hirauff eyn frunthlich anthwort/ die wir auff E'wer' l'ieb' vorbesserung wollen
gestalt haben Datum Wittenberg/ unter unßers Rectorats Insigel Dinstag nach Corporis Christi
Anno domini etc. xv


Wolffgang von gottes gnaden Pfaltzgrave By Rheyn
hertzog in Beyern etc. Der universitet zu Wittenberg Rector

Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Rektor Pfalzgraf Wolfgang bei Rhein (1515, 13. Juni)

Buchsymbol10r

Unsern fr'eundlichen' dinst und was wir liebs und
guts vermogen alletzeit zuvor hochge-
bornner furst lieberk vetter.

Wir
haben E'uer' l'ieb' schreiben.l den Wirdigen
und hochgelart'en' unsern lieben Andech-
tig'en' doctor Andresen Karlstat belangend
alles Inhalts vernomenn/ Und wie wol
wir was sich villeicht in disen sachen geburen
wil nit genugsam vernemen so woltenn
wir doch gernn daß die personen so zu der
kirchenm und universitetn overpflicht und verordento Residirt'en'
und der mit vleis außwartt'en'〈.〉 Weyl dann
daß bedencken. so E'uer' L'ieb' uns in disem falh zuge-
schriben durch E'uer' l'ieb' undp gemeyne universitet fur
billich geacht und angesehen wurd So lassen
wir es auch dabey.q dan wir acht'en' solchs werd dermasen bedacht sein daß es nit beswerung auf ime haber〈.〉
daß wolten wir E'uer' l'ieb' nit verhalten der wir
fr'eundlichen' dinst zuertzeig'en' geneigt sein〈.〉 datum zu
Torg'aw' am Mitwoch nach des heilig'en' fron leich-
nams tag Anno domini 1515


von gots gnaden frid'rich's

Hertzog Wolfgang -
von Beiernnt

a-avom Editor verbessert für obrem
bam Rand hinzugefügt
cim e verbessert
d-dam Rand hinzugefügt
eSchluss-s teilweise durch Tintenfleck überdeckt
fKorrektur zwischen u und l
güber der Zeile hinzugefügt
him Bereich stud〈ie〉n 〈u〉nd in 〈a〉llen Löcher im Papier
iLoch im Papier
jLoch im Papier
kfolgt gestrichen ohem
lfolgt gestrichen doctor k
mverordent über der Zeile hinzugefügt und wieder gestrichen.
nfolgt gestrichen verordent
o-oüber der Zeile hinzugefügt
püber der Zeile hinzugefügt
qam Rand hinzugefügt und wieder gestrichen daz
ram Rand korrigiert aus und wissen dawider nit zu Raten/ doch daz doctor Karlhstat gerawme zeit zu der walfart geben werd/ darinnen er die wol außricht'en' moge und ob ime ein Eehaft anfiele/ daz es ime ungeferlich stunde wie dan solchs von E'uer' l'ieb' und den andern der universitet fur billich ermessen wurdt
sam Rand hinzugefügt
tam Rand hinzugefügt

124. April 1511. Nach römischer Zählung fällt das Ereignis in das Jahr 1511.
2Eussenheim, 6 km nordöstlich von Karlstadt an der Straße von Hammelburg nach Karlstadt gelegen.
3Pfalzgraf Wolfgang bei Rhein (1494–1558), Bruder des Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz (Kurfürst 1508–1544), immatrikuliert in Wittenberg am 14. März 1515, zusammen mit seinem Lehrer Jakob Simler, Magister der Universität Heidelberg. Wolfgang war damals bereits Inhaber von vier Kanonikaten, u. a. am Domstift in Würzburg (AAV 1, 53a). Im Sommersemester 1515 war Wolfgang Rektor der Universität (AAV 1, 56). Er und Simler empfingen 1518 den nach Heidelberg gereisten Luther (WA.B 1, 173,12–22).
4Die dem vorliegenden Brief beigelegte Abschrift von Karlstadts Urlaubsgesuch.
5Die dem Archidiakonat inkorporierte Pfarrei Orlamünde, aus der der Archidiakon seine festen Einkünfte bezog.
6Das Kanonikat des Archidiakons.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»