Nr. 19
Lobgedicht Andreas Karlstadts auf Burckhard von Horneck
[Wittenberg], [1515, vor 11. Februar]

Einleitung
Bearbeitet von Harald Bollbuck

1. Überlieferung

Frühdruck:

[M-1515:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Andreas Bodenſtein Carlſtatinus. artium & ‖ Theologiæ Door. Archidiaconus eccleſiæ ‖ collegiatæ & exemptæ oīm ſanorū in Viten⸗‖burg/ac Ordinarius ibidem &c. ad Leorē.
in:
Horneck, Burckhard von
Compendiū Theo‖logiæ,excerptū e Quattuor ‖ Libris Sententiarum Magi⸗‖ſtri Petri Lombardi, nō mi⸗‖nus vtile ʒ neceariū, ædi⸗‖tum A clariimo viro/ Do⸗‖ore Burckhardo Horneck ‖ Ad iuuāda pauperū ſtudia, ‖ In ſacrarū lr̄arū diſciplina. ‖ Fridericus Peypus ‖ Nurenbergae Impret, [TE]
Nürnberg: Friedrich Peypus, 11. Februar 1515, fol. A2r.
4°, A–C4 D6 E4 F6 G–H4 I6 K–L4 M6 N6.
Editionsvorlage:
BSB München, 4 P.lat. 804.
Weitere Exemplare: BSB München, 4 P.lat.272. — UB Würzburg, Rp IX,825. — Marktkirche Goslar, 338. — ULB Halle, Ink A 101(1). — HAB Wolfenbüttel, A: 197.2 Theol. (1).
Bibliographische Nachweise:

Edition:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadts Gedicht auf den gelehrten Arzt Burckhard von Horneck (um 1433–1522) ist Ausdruck der Pflege lokalpatriotischer, regional-mäzenatischer und humanistischer Verbindungen. Horneck war in seinen letzten Lebensjahren zu einer wichtigen Figur im Gelehrtenzirkel Würzburgs geworden. Nach Studien in Padua1 und Stationen in Oberitalien,2 als Leibarzt bei Kaiser Friedrich III. in Graz sowie als Stadtarzt in Salzburg und Heilbronn wurde Horneck im Jahr 1505 zum Arzt des Bischofs Lorenz von Bibra in Würzburg berufen und gleichzeitig zum Domherrn ernannt. Dort trat er in engen Kontakt zu Johannes Trithemius, ehemals Abt zu Sponheim und Verfasser des berühmten Schriftstellerkatalogs, den Bischof Lorenz 1506 an die Spitze des Würzburger Klosters St. Jakob berufen hatte.3 In seinem letzten Lebensjahrzehnt wandte sich Horneck verstärkt der Theologie zu und hörte Vorlesungen des Karmeliterpriors Petrus Schweicker.4 Im folgenden Jahr veröffentlichte er das Compendium Theologiae, eine Exzerptsammlung aus den vier Büchern der Sentenzen des Petrus Lombardus. Das Ende seines Lebens verbrachte Horneck im Sankt-Dietrich-Spital in Würzburg.5

Das an den Leser des Compendium Theologiae gerichtete Lobgedicht Karlstadts auf den greisen Burckhard von Horneck ist einer von insgesamt vier dedikatorischen Paratexten. Den Anfang macht ein Widmungsgedicht (fol. A2rDigitalisatLinksymbol) von Sebastian von Rotenhan (Rubrigallus), Doktor beider Rechte und Assessor am Reichskammergericht in Speyer, der ebenfalls von Bischof Lorenz gefördert wurde.6 Es folgt eine an den Leser gerichtete Vorrede des Dichters und Theologen Hieronymus Schenk von Siemau (fol. A2vDigitalisatLinksymbol), Verfasser einer Schrift zur Kindererziehung,7 daraufhin eine Rede Hornecks an den Würzburger Domherrn und bischöflichen Vikar Ernfrid von Selneck (fol. A3rDigitalisatLinksymbol). Ihr Abfassungsdatum ist der 30. Januar 1515, knapp zwei Wochen vor der im Kolophon datierten Drucklegung am 11. Februar des Jahres (fol. N6rDigitalisatLinksymbol).

Karlstadt tritt in vollem Titelornat als Archidiakon und universitärer Ordinarius vor den Leser. Er preist Horneck als Träger der sophia, die in ihrer griechisch-heidnischen Konnotation auf die Philosophie verweist, doch verbindet er sie explizit mit dem Studium der heiligen, biblischen Wissenschaften, dem sich Horneck mit seinem Buch gewidmet habe. Möglicherweise spielt Karlstadt auf die Begriffsverwendung durch Martin Pollich von Mellrichstadt an, der 1502 im Streit mit Konrad Wimpina die unakademische »sophia sacra[ta]« von der »theologia« abgrenzte.8 Allegorisch setzt Karlstadt Juppiter mit dem christlichen Gott gleich, indem er ein Bittgebet an ihn richtet, Horneck einen Platz im Himmel zu verschaffen.9 Dadurch erhält das Epigramm Abschiedscharakter. Das in fünf Distichen gehaltene Gedicht beginnt in humanistisch-klassizistischer Manier mit attributiven Verschränkungen. Schließlich setzen die Verse 5 bis 7 mit der Anapher »ille« ein, was wirkungsvoll die Bedeutung des Dedizierten hervorhebt. Das Gedicht verweist auf die vielfältigen familialen, freundschaftlichen und mäzenatischen Verbindungen, die Karlstadt in seine fränkische Heimatregion pflegte, indem es namentlich Würzburg und Franken Horneck loben läßt.10 Der Personenkreis der Widmenden und Bewidmeten gehört zu den adligen und klerikalen Funktionseliten mit humanistischem Anspruch, der nicht untypisch für diese vorreformatorischen Kreise war.


1Horneck hatte u. a. bei Bartholomaeus Montagnana studiert, dem Verfasser einer Consilia medicaLinkLinksymbol.
2Dort knüpfte er Beziehungen zu Cristoforo Moro, der 1462 Doge von Venedig wurde, und widmete ihm das Pestregimen Theisir contra omnem pestem. Vgl. Sudhoff, Lebensgeschichte, 300; Nauck, Horneck, 295.
3Endres, Trithemius, bes. 160; 163; Wendehorst, Würzburg, 63; 66; Arnold, Trithemius, 204–216.
4Dessen Erklärungen der Bußpsalmen ließ Horneck 1514 drucken und stellte ihnen einen Briefwechsel mit Trithemius voran: Petri Schwickeri sita in Septem penitentium psalmos elucidatio, Landshut: Weyssenburger, 1514. Vgl. Endres, Trithemius, bes. 163; Nauck, Horneck, 291–293. Petrus Schweicker († 1519) wurde 1508 zum Prior des Würzburger Karmeliterklosters ernannt. Vgl. Deckert, Oberdeutsche Provinz, 215 Nr. 886. Dagegen datiert Baier, Karmelitenklöster, 54, den Beginn des Priorats auf 1505. Schon 1513 ist Schweicker als Prior auf dem Vogelsberg erwähnt. 1514 widerrief das Provinzialkapitel seine Privilegien, vgl. Deckert, Oberdeutsche Provinz, 19; 215 Nr. 886.
5Vgl. NDB, 637; Endres, Trithemius, 167; Nauck, Horneck, 294.
6Ob Rotenhan, der ein Freund und Verwandter Ulrichs von Hutten war, der ihm später seinen Dialog Vadiscus widmete, wie hier in der Titulatur seines Beitrags angegeben, auch Kammerauditor war, ein Amt des päpstlichen Sacrum Palatium, ist nicht bekannt. Nachweisbar ist er 1507 als »camerae imperialis adsessor«. Vgl. Eyring, Rotenhan, 24f.; 54f. Auf einer Reise nach Palästina zwischen 1512 und 1515 wurde er zum »sancti sepulcri eques« ernannt. Ebd., 55.
9Die Einbeziehung der antiken Göttergeschichten in eine moralische Auslegung und ihre christliche Entschärfung als fünfter Schriftsinn erfolgte zuerst durch Pierre Bersuire in seinem Ovidius moralizatus in der Mitte des 14. Jahrhunderts, vgl. Jung, Poetria, 59f. Eine enorme Verbreitung dieses Diskurses erfolgte durch die Parthenice des Baptista Mantuanus von 1488, der die klassischen Erzählung »ad pios usus« einsetzte. Siehe KGK 007. Gleichwohl musste er diese Technik noch verteidigen und der Ausgabe eine Apologie beifügen. Siehe Ludwig, Bildung, 932f. Doch wurde die allegorische Verwendung der heidnischen Gottheiten im christlichen Kontext nun zum Allgemeingut. Vgl. Ludwig, Bildung, passim, Kipf, Elisabeth, 314f., und Collins, Hagiography, 532.
10Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 17 Anm. 28; 31 Anm. 87 (zur Beziehung zu Sigmund von Thüngen).

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