1. Überlieferung
Frühdruck:
Philoſophie doctoꝛibus ‖ ac Canonicis bmeritis Andꝛee Bodenſtaino ‖ Carlſtadino Theologo: ⁊ Ottoni Beckman ‖ no Vuartbergio Juriſperito / amicis perinde ‖ ac fratribus ſuauiſſimis iucūdiſſimiſ: Chri⸗‖ſtopherus Scheurlus Juriū Doctor ac Legū ‖ Ordinarius Salutem.
in:
Baptista (Mantuanus)Scheurl, Christoph
Fratris Baptiste Man=‖tuani Carmelite Theo=‖logi Carmen de Fortuna illustris Francisci ‖ Gonzage marchionis Mantue.
Leipzig: Martin Landsberg, 1510, fol. A1v.
4°, 10 Bl., ungez., Titelseite, A–A6, B–B4.
Editionsvorlage:
SBB-PK Berlin, an: Inc. 953a.Weitere Exemplare: Universitätsbibliothek Erlangen, INC 1001/4.
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 S 7281.
- Panzer, Annales 7, 168, Nr. 304.
- Proctor, German Prints, 41, Nr. 10178.
- Grossmann, Bibliographie, Nr. 25.
2. Inhalt und Entstehung
Christoph Scheurl widmet den beiden Wittenberger Kollegen Karlstadt und Otto Beckmann ein Werk des italienischen religiösen Dichters und Karmeliters Baptista Mantuanus. Unter Humanisten galt Mantuanus, der christliche Motivik mit einer klassisch-humanistischen Stilistik vereinte,1 als neuer Vergil, seine geistlichen Dichtungen erfreuten sich – zumal in Deutschland – großer Beliebtheit.2 In einem Exemplar seines Carmen in agona divae Margaritae konnten Lesespuren von der Hand Luthers nachgewiesen werden.3
Das Gedicht über das Lebensglück Carmen de fortuna hatte Baptista Mantuanus als Trostschrift für den 1509 in venezianische Gefangenschaft geratenen Markgrafen von Mantua, Francesco Gonzaga, angelegt, in dessen Herrschaftsbereich er als Studiendirektor am reformierten Karmeliter-Kloster wirkte.4 Der undatierte Erstdruck wurde vermutlich Ende 1509 oder Anfang 1510 in Bologna ausgeführt.5Scheurl hatte das Werk auf seiner zweiten Italienfahrt kennengelernt, für die er am 16. Februar 1510 Wittenberg verlassen hatte und Ostern Bologna erreichte, um zurückgelassene Bücher abzuholen und neue zu kaufen – unter ihnen auch das Carmen de fortuna. Am 18. Mai traf er wieder in Wittenberg ein.6 Laut vorliegender Widmung hatte er das Gedicht in Deutschland verbreitet (»invulgandum«), doch liegen noch zwei nahezu gleichzeitige Drucke im deutschen Publikationsraum vor.7 Gemäß Impressum folgte der Leipziger Druck genau dem Erstdruck aus Bologna.8 Er ist in Fraktur statt in Antiqua wie die Vorlage ausgeführt und setzt das unklassisch legierte »e« für »ae« sowie zahlreiche Abkürzungen und Ligaturen, die auf die spätscholastische Tradition verweisen. Dennoch ist ihm eine genaue Ausführung gemäß dem Original zu attestieren. Der Druck ist mit interlinearen Spatien ausgestattet, was auf einen Einsatz in der Lehre deutet. Das Exemplar aus Erlangen weist auf jeder Seite eingehende Erklärungen von erwähnten Figuren und Dingen, Kommentare sowie Wortexplikationen und Synonymnotizen auf, höchstwahrscheinlich von studentischer Hand.9Scheurl besetzte in Wittenberg nicht nur die Stelle des Ordinarius für Zivilrecht, sondern war von Kurfürst Friedrich III. zudem für humanistische Studien freigestellt. Das Lehrverzeichnis von 1507 (der sogenannte Rotulus) gibt an, dass er Übungen zu Sueton abhielt.10 Von Auslegungen der Dichtung Baptistas ist nicht die Rede.
Scheurl schmückte seine Ausgabe des Werkes mit einem Widmungsbrief an die berühmten Freunde, damit das Gedicht eine schnellere und nachhaltigere Verbreitung finde. Mittels dieser Werbung sollte das Carmen Stoff humanistischer Studien in Wittenberg werden.11Beckmann, der an seinem ersten Studienort Leipzig den Humanisten Hermann Buschius kennengelernt hatte und in Wittenberg zum Dichterkreis um Richardus Sbrulius gehörte, besetzte die Grammatiklektur, die er zweifellos humanistisch-rhetorisch auslegte.12 Zugleich bedankte sich Scheurl mit der Widmung bei Karlstadt und Beckmann für die Freundlichkeit, mit der sie ihn nach der erneuten Ankunft aus Italien in Wittenberg aufgenommen hatten. In dieser Funktion übernimmt die Dedikation die Aufgabe eines Gegengeschenks für die geleistete amicitia, die der Welt publik gemacht wird.13 Besonders zu Beckmann pflegte Scheurl auch in der Folge enge persönliche Kontakte.14