Editionsrichtlinien

Ziel der Edition ist es, die Textgestalt so nah wie möglich am Original zu halten und zugleich die Lesbarkeit zu erleichtern. Grundsätzlich werden nur minimale Eingriffe vorgenommen. Dies bedeutet, dass eine konservative Vorgehensweise gewählt wurde, um die Textgestalt der Vorlage dokumentarisch so getreu wie möglich wiederzugeben. Liegen verschiedene Textvarianten vor, wird der Urdruck unter Berücksichtigung von Verbesserungen in Nachdrucken als Textgrundlage angesetzt. Ausnahmen werden in den Einleitungen begründet. Handschriftliche Textkorrekturen, die nachweislich von Karlstadt oder seinen Gehilfen vorgenommen wurden, berücksichtigt die Edition bei der Textkonstitution. Für die Quelleneinsicht wurde, wenn nicht anders angegeben, auf Digitalisate zurückgegriffen.

I. Orthographie

Für die lateinischen Texte gilt das Folgende:

  1. In der Orthographie ist das Zeitkolorit weithin zu bewahren.
  2. Die Buchstabenkombination 〈ij〉 wird stets als 〈ii〉, das kontrahierte 〈æ〉 und e-caudata als 〈ae〉 wiedergegeben. Ein besonderer Aspekt der vokalischen Textkonstitution ist die fehlende Cauda bei e-caudata. Die Verwendung von e-caudata in den Rhau-Grunenberg-Drucken ist inkonsequent (Bsp. quę, que/quae). Die Nachdrucke des humanistisch geschulten Lazarus Schürer aus Schlettstadt dagegen setzen durchgehend 〈ae〉 und verzichten auf e-caudata.
  3. 〈i〉 und 〈j〉 werden in lateinischen Texten als 〈i〉 wiedergegeben.
  4. 〈u〉 und 〈v〉 sind nach dem jeweiligen Lautwert zu normalisieren, d. h. konsonantischer Gebrauch wird mit 〈v〉, vokalischer mit 〈u〉 wiedergegeben. Daraus ergibt sich, dass die Kombinationen 〈vv〉 und 〈vu〉 als das intendierte volkssprachliche 〈w〉 wiedergeben werden (Bsp. Vuittenburgenses als Wittenburgenses).
  5. Die nicht normierte Abwechslung zwischen 〈t〉 und 〈c〉 ist beizubehalten (Bsp. nacio).
  6. Inkonsequenzen der Vorlagen bei der Verwendung von 〈oe〉 / 〈e〉 (z. B. poena / pena) stören die Lesbarkeit nicht, eine Vereinheitlichung ist grammatikalisch nicht erforderlich und bleibt daher als Zeitkolorit damaliger Latinität erhalten. Gleiches gilt für 〈y〉 anstelle von 〈i〉, 〈ch〉 anstelle von 〈c〉 (lachryma anstelle von lacrima) und Ausfall plosiver Laute (Bsp. averte anstelle von adverte) etc. Erhalten bleiben auch Uneinheitlichkeiten der Vorlage hinsichtlich der Verdoppelung von Konsonanten (Bsp. littera und litera).
  7. Diese Vielfalt zeitgenössischer Textgestalten soll wiedergegeben werden, indem der jeweils als Vorlage gewählte Text in seiner Spezifik bestehen bleibt. Bei der Auflösung von Abkürzungen innerhalb eines solchen Textbildes wird der unmittelbare Kontext erhalten, indem nach der jeweils letzten ausgeschriebenen Form expandiert wird (bes. im Fall von 〈ae〉 und 〈e〉 wie bei expandierten Namen, z. B. Tho'me', aber auch bei der Auflösung von Abbreviaturen wie littera/litera).
  8. Die Inkonsequenzen bei Klein- und Großschreibung bleiben erhalten. Bei mehreren Großbuchstaben in Folge wird ab dem zweiten kleingeschrieben (z. B. Ambrosius statt AMBROsius).
  9. Römische und arabische Zahlen werden jeweils beibehalten, eine Mischung innerhalb einer Zahl wird arabisch aufgelöst (Bsp. ar. i ad xx et z6 ad i7 wird zu ar. i ad xx et 26 ad 17)

Für die deutschen Texte gilt darüber hinaus das Folgende:

  1. Übergeschriebene Vokale über Buchstaben werden nach Vorlage wiedergegeben.
  2. 〈i〉, 〈j〉, 〈u〉, 〈v〉 und 〈w〉 werden entsprechend dem Lautwert wiedergegeben; 〈y〉 wird beibehalten.
  3. Der Bestand von Konsonanten bzw. Konsonantendoppelung wird bewahrt.
  4. 〈S〉, 〈ss〉, 〈ß〉, 〈sz〉 und 〈z〉 werden beibehalten, zwischen Lang-s und Rund-s wird nicht unterschieden. 〈uu〉 und 〈vu〉, die für 〈w〉 stehen, werden mit 〈w〉 wiedergegeben.
  5. 〈dz〉 wird stillschweigend in 〈das〉, 〈ꝺ〉 in 〈der〉 aufgelöst.
  6. Die Großschreibung folgt, sofern erkennbar, der Vorlage (größer geschriebene Kleinbuchstaben werden nicht als Groß-, sondern als Kleinbuchstaben wiedergegeben).
  7. Die Getrennt- und Zusammenschreibung folgt der Vorlage, sofern diese eindeutig ist.
  8. Die Herangehensweise bei der Verzeichnung der Varianten ist pragmatisch. Mundartliche Abweichungen finden unbedingt Aufnahme, ebenso bestimmte grammatische Unterschiede (Dativ/Akkusativ). Variationen im Lautwert (i/j/y bzw. u/v) werden im Textapparat nicht verzeichnet, Unterschiede in Zusammen- und Getrenntschreibung nur bei Bedeutungsverschiebungen.

II. Kürzel, Kontraktionen und Abkürzungen

  1. Gängige Abbreviaturen und Kontraktionen (Auslassung einzelner Buchstaben im Wort, die durch spezielle Zeichen markiert werden, wie per/prae/pro/quae/quo/quia/quam, weiter n. für enim, nra für nostra, ee für esse etc.), Omissionen (Nasal- und Geminationsdiakritika, z. B. un̄ für und) und Ligaturen (æ, œ) werden bei Eindeutigkeit stillschweigend aufgelöst. Aus den Handschriften und Karlstadtdrucken wurden Abkürzungslisten erhoben.
  2. Tachygraphische tironische Noten (z. B. & und &c.) werden ebenfalls stillschweigend aufgelöst.
  3. Suspensionen, besonders von Autorennamen, Anreden, Werktiteln oder bei Uneindeutigkeit, werden aufgelöst, die Expansionen mittels dezenter Hochkommata kenntlich gemacht (z. B.: D. als D'ominus', .i. als i'd est'; u. ä.). Zur Auflösung von im Text gebotenen Literaturreferenzen siehe IV. Davon ausgenommen sind Bibelstellenangaben. Abkürzungen für capitulum (cap., ca., c. oder .c.), liber (l./li.) etc. in Literaturangaben bleiben unaufgelöst.

III. Interpunktion

Die Interpunktion gibt die historischen Interpunktionsgewohnheiten bzw. das Sprachgefälle des 16. Jahrhunderts wieder, welches sich nicht den konsequent logischen Interpunktionsregeln der klassischen Philologie anpassen lässt. Von einer die syntaktische Struktur erhellenden Modernisierung wird abgesehen.

  1. Im Falle von offensichtlich typographisch bedingtem Fehlen der Interpunktion werden Satzschlusszeichen ergänzt. Ein durch Großschreibung erkennbarer Satzanfang, bei dem der schließende Punkt des Vorsatzes fehlt, wird durch einen Punkt ergänzt. Die Ergänzungen erfolgen in spitzen Klammern.
  2. Die Titelaufnahme in der Einleitung erfolgt diplomatisch und zeichengetreu; in die Titelwiedergabe der Transkription werden am Zeilenende bzw. -umbruch benutzte Worttrennungszeichen (Rhau-Grunenberg: schräges Gleichheitszeichen 〈⸗〉 bzw. Virgel in dieser Funktion) durch einen einfachen Trennungsstrich ersetzt bzw. bei Fehlen ohne Kenntlichmachung ergänzt.
  3. Absatzmarken (Paragraphos-Zeichen) werden wiedergegeben, da nicht immer zu entscheiden ist, ob sie einen neuen Absatz oder eine untergeordnete Gliederungsform abbildeten.

IV. Nachweise von Zitaten und literarischen Anspielungen

  1. Die von Karlstadt in der Editionsvorlage abgekürzt aufgeführten Literaturreferenzen werden in der Transkription hinsichtlich Autor und Werktitel aufgelöst, nicht jedoch ihre Untergliederungen (in Buch l[iber], Kapitel c[apitulum], Quästion q[uestio], Distinktion d[istinctio] etc.).
  2. Der Anmerkungsapparat weist alle Zitate und Literaturverweise – sowohl die explizit angeführten als auch die impliziten – in moderner, abgekürzter Form nach. Die Kurztitel folgen für Augustin dem Augustin-Lexikon1, für lateinische Autoren dem Index des Thesaurus Linguae Latinae2, für griechische Autoren Liddell/Scott3 und für griechische christliche Autoren Lampe4.
  3. Die Stellennachweise erfolgen in ihren modernen Textausgaben nach absteigender Priorisierung: 1. CCSL 2. CSEL 3. SC 4. PL/PG; alternativ: CCCM.5 Zitiert Karlstadt nachweisbar in Paragraphen oder Kolumnen, so sind die von ihm konsultierten Texte (Handschriften oder Drucke), soweit identifizierbar, im Anmerkungsapparat ausgewiesen.

Technische Aspekte der Textpräsentation

In der Editionsvorlage an Innen- und Außenrändern gebotene Marginalien werden am äußeren Rand wiedergegeben.

Verwendete Zeichen

  1. Editorische Ergänzung: 〈.〉
  2. Konjektur: 〈periculis〉
  3. Expansion: D'ominus'
  4. Textverlust: 〈[…]〉
  5. Unsichere Lesart des vorhergehenden Wortes: Karlstadt〈?〉

1S. in der Bibliographie unter der Sigle AugL.
2S. in der Bibliographie unter der Sigle ThLL.
3Liddell/Scott, Greek-English.
4Lampe, Patristic Greek Lexicon.
5Zu den Siglen s. Bibliographie.

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