Der vorliegende Band dokumentiert Karlstadts literarische Tätigkeit des Jahres 1520, eines historisch zentralen Entscheidungsjahres der frühen Reformationsgeschichte. Während Martin Luther mit seinen sogenannten reformatorischen Hauptschriften dank der seit Jahresanfang 1520 durchaus leistungsfähigen typographischen Infrastruktur Wittenbergs die wichtigsten publizistischen Beiträge zur Mobilisierung einer »reformatorischen Öffentlichkeit« erbrachte, vertiefte sich Karlstadt in die Fragen der normativen Grundlagen der reformatorischen Lehre in Gestalt ausgeprägter kanonstheologischer und biblisch-hermeneutischer Basistexte. Sie zeigen, wie eng Karlstadts Anschluss an den Humanismus Erasmusscher Prägung war. Zugleich werden die laientheologischen Ansätze seines Werkes und die Anknüpfungen an mystische und humanistische Traditionen in ersten klareren Konturen sichtbar. Auch Karlstadts finaler Bruch mit der Papstkirche fällt in dieses Entscheidungsjahr der Reformation. Dissonanzen mit Luther in Bezug auf kanonstheologische Fragen präludieren die bald offenkundig werdenden Zerwürfnisse innerhalb des Wittenberger Lagers. Die Verlagerung der Auseinandersetzungen in die Volkssprache und die immer deutlichere Bezogenheit Karlstadts auf die laikale Adressatenschaft, die seine weitere Entwicklung bestimmen wird, zeichnen sich nun unübersehbar ab.
Ob sich unsere Erwartung erfüllen wird, dass die zwischen 1521/22 und 1525 rasch anwachsenden, vornehmlich auf Deutsch abgefassten Textmengen Karlstadts zügiger bearbeitet werden können als das bisher zu edierende Material, wird sich zeigen. Die an Karlstadt interessierte Forschung ist gut beraten, die chronologisch deutlich vorgreifende Online-Ausgabe, die an der Herzog-August-Bibliothek, unserem Kooperationspartner, gehostet ist (Kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Bodensteins von Karlstadt), zu benutzen.
Dass KGK III nur wenige Monate nach KGK II vorgelegt werden kann, ist der Stabilität und der Leistungsfähigkeit meines hervorragend arbeitenden Karlstadt-Teams an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Herzog-August-Bibliothek zu danken: Dr. Harald Bollbuck, Dr. Stefania Salvadori, Dr. Alejandro Zorzin als hauptamtlichen Editoren, Prof. Dr. Ulrich Bubenheimer als Karlstadt-Freund und selbstloser ‚Mitarbeiter im Ehrenamt‘, Dr. Jennifer Bunselmeier, Dario Kampkaspar und Antje Marx als EDV-Mitarbeiter und Organisationstalente und Timo Janssen, Niklas Henning und Alyssa Lehr Evans als Hilfskräfte. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei von Herzen gedankt.
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